Tizian und Palma Vecchio gelten als die eigentlichen Erfinder dieser poetischen „Belle Veneziane“. Palmas Bildnis einer jungen Frau in prachtvollem Gewand wird auch „Bella“, also „die Schöne“ genannt. Sie berührt sanft ihr Haar und hält ihr Körbchen der Morgengabe fest.
Tizians
Frauen
Bild
5. Oktober 2021 – 30. Jänner 2022
Die große Herbstausstellung 2021
400.000 haben 2018 »Bruegel Once in a Lifetime« gesehen.
⭑ ⭑ ⭑ ⭑ ⭑
340.000 haben 2019
»Caravaggio & Bernini« gesehen.
⭑ ⭑ ⭑ ⭑ ⭑
»Tizians Frauenbild«,
das Highlight dieses Herbstes.
⭑ ⭑ ⭑ ⭑ ⭑
Schönheit – Liebe – Poesie
Kurz nach 1500 beginnt Tizian in Venedig Meisterwerke zu schaffen, die die Frau in einem neuen Licht erscheinen lassen. Die Schönheit der Venezianerinnen war legendär. Inspiriert von der damaligen Liebespoesie und Literatur schufen Tizian und seine Zeitgenossen – wie Palma Vecchio, Lorenzo Lotto, Paris Bordone, Jacopo Tintoretto und Paolo Veronese – poetisch-erotische, idealisierte Frauenbildnisse. Sie werden wegweisend für die europäische Malerei der nachfolgenden Jahrhunderte.
Die große Ausstellung beleuchtet das venezianische Frauenbild vor dem Hintergrund der Ideale und Gesellschaftsverhältnisse des 16. Jahrhunderts.
In Tizians Frauenbildern geht es um die Zelebration der Frau als großartigstes Thema des Lebens, der Liebe und der Kunst. Hochkarätige Leihgaben internationaler Museen und Sammlungen zeigen gemeinsam mit ausgesuchten Werken des Kunsthistorischen Museums den Facettenreichtum des Themas.
1
Das Idealbildnis: der Beginn der „Belle donne“
Das Weibliche wird zum Ideal der Kunst.
Nach der Entdeckung der Frau als Thema der Porträtmalerei führt der Weg von den realistischen Porträts hin zu Bildern von blonden, jungen Frauen, die als Ideal weiblicher Schönheit in Venedig angesehen wurden.
Die Frage nach der Identität verliert an Bedeutung, obwohl es zweifellos jeweils ein Modell gegegeben haben muss. Porträtähnlichkeit ist hier nicht das Thema, sondern erotische Anziehungskraft. Diese soll den Betrachter in den Bann ziehen. Ein schöner Körper galt als Spiegel eines schönen Wesens.
Palma il Vecchio
Portrait einer Frau, genannt „La Bella“
1518/20
Madrid, Museo Nacional Thyssen-Bornemisza
© Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid
Tizian
Violante
1510/14
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Tizians Schönheit mit offenem blonden Haar, die aufgrund des Veilchens im Dekolleté „Violante“ genannt wird, blickt neugierig, aber auch ohne mit dem Betrachter „flirten“ zu wollen direkt auf ihn/uns. Sie ist prachtvoll gekleidet und vollführt mit den Fingern ihrer linken Hand den Gestus des „V“, den man gerade in dieser Zeit bei einer Vielzahl von weiblichen Idealbildnissen findet. Dieses „V“ wurde mit Venus, mit virtus = Tugend und im vorliegenden Fall mit der Blume Viola = Veilchen erklärt. Das Blümchen ist ein Symbol junger Bräute.
Manche Bilder sind miteinander verwandt und
entwickeln sich aus einem Vorgängergemälde weiter.
Tizian
Porträt einer Frau, genannt „La Bella“
1534/36
Florenz, Galleria Palatina
© Galleria Palatina e Appartamenti Reali di Palazzo Pitti, su concessione del Ministero della cultura
Tizian
Junge Frau im Pelz
1534/36
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Tizian
Junge Frau mit Federhut
1534/36
Sankt Petersburg, Eremitage
© The State Hermitage Museum, 2021, Foto: Dmitri Sirotkin
Die Bilder der Bella aus Florenz und des Mädchens mit Federhut aus der Eremitage wurden restauriert und sind in dieser Ausstellung in prächtigem Glanz mit dem Gemälde des KHM (wieder) vereint.
Anhand der Röntgenaufnahmen des Wiener Gemäldes konnte man feststellen, dass der Künstler hier ursprünglich eine genaue Version des Florentiner Gemäldes gemalt hatte, ehe er die nun sichtbaren Veränderungen vornahm. Also wurde die zunächst noch fürstlich gekleidete Frau im blauen Kleid (La Bella, Florenz) zunehmend erotisiert, indem sie zwar ebenso fein mit Perlen und Geschmeide und kostbaren Pelzen und Hüten geschmückt wird, doch dabei zunehmend mehr Haut zeigt.
2
„Realporträts“
An konkreten, von großen Malern geschaffenen Bildnissen individueller Frauen gibt und gab es in Venedig überraschend wenige. Die wenigen erhaltenen stammten zunächst vom Festland. In diesen Regionen spielten Frauen als Familienoberhäupter grundsätzlich eine bedeutendere Rolle als die Venezianerinnen aus der Lagunenstadt.
Tizian
„La Schiavona“
1510/12
London, The National Gallery
© The National Gallery, London
Diesen Umstand erklärt man sich mit dem in Venedig herrschenden Regierungssystem, in dem Männer die Herrschaft unter sich aufteilten. Frauen waren grundsätzlich von der Regierung ausgeschlossen und tauchten daher auf offziellen Portäts sehr selten auf. Oftmals ist die Identität der Dargestellten bis heute unbekannt, so auch diejenige der „Schiavona“ aus London.
Porträts im Spannungsfeld zwischen
Realität und idealen Wunschvorstellungen:
Kunst kann verjüngen
Tizian schuf Porträts von berühmten weiblichen Persönlichkeiten. Diese waren Gemahlinnen von Regenten an den oberitalienischen Höfen. Viele von ihnen hatte er nie zu Gesicht bekommen, und so musste er Bildnisse anderer Künstler als Vorlage nehmen.
Tizian
Isabella d’Este, Markgräfin von Mantua (1474-1539)
1534/36
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Isabella d’Este war des Portraitsitzens so überdrüssig, dass Künstler sich mit den bereits vorhandenen Bildnissen von ihr als Vorlage begnügen mussten. Tizian verewigte die inzwischen 60-jährige dann auch als strahlend schöne 20-jährige.
Familienbande
Andere Frauenbildnisse identifiziert man mit Mitgliedern seiner eigenen Familie: Besonders berühmt ist das Dresdner Bild, das vermutlich seine Tochter Lavinia zeigt.
Tizian
Porträt der Lavinia
um 1565
Staatliche Kunstsammlungen Dresden
© Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut
Tizian und Werkstatt
Porträt einer Frau (traditionell mit Lavinia identifiziert)
um 1565
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Jacopo Tintoretto
Bildnis einer jungen Dame
1553/55
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Auch andere venezianische Künstler schufen weibliche Porträts. Tintorettos Dame überrascht durch ihre unverblümte Direktheit, mit der sie auf den Betrachter schaut. Eine frühe Feministin, die jedem männlichen Blick selbstbewusst standhält?
Anonymer Meister aus Brescia
Porträt einer jungen Dame
um 1540
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Diese schöne junge Dame bleibt in jeder Hinsicht ein Rätsel. Gibt sie sich melancholisch ihren Liebesträumen hin? Ist ihre verinnerlichte Haltung Ausdruck eines humanistisch gebildeten Verstandes?
3
Spiegel
Der Spiegel als Instrument komplizierter
Blickbeziehungen und Mittel der
Selbsterkenntnis
»Ich suche im Spiegel den zu erkennen, der mich durch meine Augen im Spiegel betrachtet.«
Arthur Feldmann (1926 - 2012), österreichisch-jüdischer Schriftsteller, 1939 Emigration nach Israel als Aharon Shadmoni, 1956 als André Chademony in Frankreich
Tizian
Junge Frau bei der Toilette
um 1515
Paris, Musée du Louvre
Photo © RMN-Grand Palais (musée du Louvre) / Franck Raux
Der Spiegel hat es der Schönheit angetan. Der Spiegel bzw. das von ihm erzeugte Bild war seit langem ein Konkurrent der Maler und konnte nur gezähmt werden, indem er/es selbst Thema der Malerei wurde.
Giovanni Bellini
Junge Frau bei der Toilette
1515
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Spiegel dienen nicht nur dazu, um die eigene Schönheit zu kontrollieren, sondern sie auch simultan von allen Seiten wiederzugeben. Damit will die Malerei alle anderen Künste, wie etwa die Skulptur, aber selbst die Poesie, übertreffen.
Giovanni Bellinis berührendes Spätwerk des KHM mag Tizian zum Wettbewerb inspiriert haben. Tizians „Junge Frau bei der Toilette“ scheint zwar ähnlich wie Bellinis Schöne in den Anblick ihres Bildnisses versunken zu sein, doch hält sie die Spiegel nicht selbst: Sie lässt sich bedienen von einem sie bewundernden Verehrer, der in ihrem Schatten steht. Wen schaut sie im Spiegel an? Sich selbst oder Ihn? Blickbeziehungen und Bildgrenzen sind auf dem Prüfstand.
In einem weiteren Werk kehrt die junge Frau den Spiegel gegen die Betrachterin oder den Betrachter: Er hält uns allen die Vergänglichkeit unseres Seins vor Augen.
Tizian
Vanitas (Eitelkeit der Welt)
um 1520
München, Alte Pinakothek
© bpk I Bayerische Staatsgemäldesammlungen
4
Halbnackte Göttinnen auf Erden
Die berühmten Maler und ihre Auftraggeber haben die Frauen sprichwörtlich in den Himmel gehoben! Denn ihre Angebeteten wurden in den erotischen Darstellungen in Gestalt antiker Göttinnen oder als Geliebte der Götter präsentiert. Besonders vielversprechend war Flora, die Göttin der Blumen. Bartolomeo Veneto und Tizian haben sehr unterschiedlich gestaltete, doch ähnlich aufregende Meisterwerke geschaffen.
Tizian
Flora
um 1517
Florenz, Galleria degli Uffizi
© Galleria delle Statue e delle Pitture degli Uffizi, su concessione del Ministero della cultura
Bartolomeo Veneto
Idealbildnis einer jungen Dame als Flora
um 1520
Frankfurt, Städel Museum
Creative Commons, Städel Museum, Frankfurt am Main
Giorgione
Laura
1506
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Giorgiones Gemälde der „Laura“ ist das epochale erste Bild der „belle donne veneziane“. Mit dem Entblößen der Brust wurde der Moment der Heiratsbesiegelung dargestellt. Die Braut gab durch das Öffnen ihres Herzens ihr Einverständnis zur Ehe.
Bernardino Licinio
Porträt einer Frau mit entblößter Brust
1536
Bergamo, Privatsammlung
© Privatsammlung
Diesen Moment des Eheversprechens zeigt auch das Gemälde Bernardino Licinios an. Das verblüffend individuelle Porträt hält den offiziellen wie auch intimen Moment der Verbindung fest.
5
Auf ewig vereint
Vor 500 Jahren verliebt und
heute noch zusammen
Die Liebe bringt uns zusammen, Liebespaare werden später vielleicht sogar zu Eheleuten. Doch mit der Liebe kann auch Leid einhergehen – wenn sie endet oder einem der oder die Geliebte genommen wird.
Bordone
Die Liebenden
1525/1530
Mailand, Pinacoteca di Brera
© Pinacoteca di Brera, Milano
Bordons Liebespaar zeigt den Moment der Ringübergabe im Beisein eines Zeugen und nicht eine „Ménage à trois“, wie man vielleicht meinen könnte. Licinio schildert in seinem Gemälde den aufregenden Moment der Ehebesiegelung: Ganz erschüttert über das nahe Ziel nimmt er sie an der Hand, und sie öffnet zum Einverständnis des Ehegelübdes ihr Herz und entblößt ihre Brust.
Bernardino Licinio
Junge Frau mit ihrem Bräutigam
um 1520
Paris, Galerie Canesso
© Galerie Canesso, Paris
Giovanni Cariani
Junge Frau mit altem Mann in Profil
1515/1516
Sankt Petersburg, Eremitage
Pavel Demidov © The State Hermitage Museum, 2021
© The State Hermitage Museum, 2021
Das Gemälde mit dem alten Mann und der jungen Frau geht vermutlich auf ein heute verlorenes Vorbild Tizians zurück. In der jugendlichen Schönheit wollte man die Muse des Meisters erkennen. Ungleiche Paare waren ein traditionelles Thema der Malerei und sollten auf Abweichungen vom moralischen Wertekanon hinweisen. Sexarbeiterinnen und Lustmolche, Ehebruch und Habgier konnten mit einem Augenzwinkern thematisiert werden.
Musik ist in der Lage, das Liebesspiel zu befeuern. Als Unterstützung der Liebe war Musik seit jeher ein Thema der Malerei und kommt in Tizians Mythen immer wieder vor. „Venus mit dem Orgelspieler“ ist ein gutes Beispiel. Harmonische Klänge werden zum Zeichen des erhofften erotischen Einklangs.
Tizian
Venus mit Orgelspieler und Cupido
um 1555
Madrid, Museo Nacional del Prado
© Archivo Fotográfico. Museo Nacional del Prado, Madrid
Auch die menschliche Stimme, zum Gesang verfeinert, ist ein Mittel der Liebesdarstellung. Hier bringt Tullio Lombardo ein junges Liebespaar in Stimmung.
Tullio Lombardo
Junges Paar
1505/10
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Enigmatisch bleibt die junge Frau mit dem Gemälde eines Mannes, das seine Abwesenheit thematisiert. Ob er nur temporär von ihr getrennt ist oder verstorben, ist schwierig zu beurteilen. Doch wird damit die Bedeutung der Malerei als Ersatz für den fehlenden Geliebten betont.
Bernardino Licinio
Frau mit männlichem Porträt
1525/28
Mailand, Castello Sforzesco
© Comune di Milano, tutti i diritti riservati
6
Inbegriff von Tugend, Mut und Hingabe:
Heldinnen und Heilige Biblische und
mythologische Frauen als Vorbilder
Lorenzo Lotto
Porträt einer Frau, inspiriert von Lucretia
1530/33
London, The National Gallery
© The National Gallery, London
Lorenzo Lottos „Porträt einer Frau inspiriert von „Lucretia“ bekräftigt den Vorbildcharakter der inneren Haltung der römischen Heldin. Möglicherweise trug die Dargestellte denselben Namen, der in Venedig sehr häufig vorkam.
Mut, Aufopferung und Entschlossenheit verbunden mit Keuschheit, Tugend und Bescheidenheit sind die Eigenschaften dieser Persönlichkeiten, die in zahlreichen Darstellungen zelebriert werden. So verschieden ihre Geschichten auch sein mögen, eines verbindet sie alle: ihre Schönheit. Denn im Verständnis der Zeit symbolisiert ein schöner Körper auch einen schönen Geist.
Lucretia
Ein beliebtes Thema der Kunst war die Geschichte der Lucretia. Nachdem sie von Lucius Tarquinius, dem Sohn des Königs, vergewaltigt worden war, beging sie Selbstmord, um die Ehre ihrer Familie zu retten. So wurde sie zum Inbegriff der Tugend.
Tizian stellt ihre Geschichte mehrmals dar: zuerst in einem Jugendwerk ihren Selbstmord und einige Jahrzehnte später die dramatische Szene der beginnenden Vergewaltigung.
Weil die Bestrafung des Täters -Tarquinius- zum Untergang der Etruskerherrschaft und zur Gründung der Republik Rom führte, diente die Darstellung der Geschichte Lucretias auch politischen Zwecken. Sie versinnbildlichte die moralischen Fundamente der Republik Venedig.
Tizian
Lucretia und ihr Gemahl
um 1515
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Tizian
Tarquinius und Lucretia
1570 -1576
Wien, Akademie der bildenden Künste
© Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien
Auch Paolo Veronese setzte sich mit dem Selbstmord Lucretias auseinander. Anders als Tizian, der das Drama Lucretias und ihres Ehemannes darstellt, zeigt er sie alleine, im letzten Moment ihres Lebens, kurz bevor sie sich mit dem Dolch ersticht.
Paolo Caliari, gen. Veronese
Lucretia
um 1580/1583
Wien, Kunsthistorisches Museum
© KHM-Museumsverband
Judith
Frauen können auch „männliche“ Taten begehen und werden für ihren Mut gefeiert. Als ihre Heimatstadt von einem feindlichen Heer belagert wurde, zögerte Judith nicht und beschloss, die Bedrohung abzuwenden.
Die schöne Witwe besuchte den Feldherrn Holofernes in seinem Zelt und nutzte die Gelegenheit, ihn betrunken zu machen. Sie erschlug ihn mit seinem Schwert und trennte sein Haupt ab. So gelang es Judith, ihr Volk vor der Vernichtung durch feindliche Heere zu retten. Veronese zeigt sie nachdenklich, unmittelbar nach der Enthauptung des Holofernes mit seinem abgeschlagenen Kopf in der Hand. Ihre für den Ermordeten fatale Schönheit betont Veronese durch prachtvolle Kleidung und kostbaren Schmuck.
Veronese
Judith mit dem Haupt des Holofernes
um 1580
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Salome
Der Darstellungsart der Judith steht jene der Salome, Tochter der Herodias, zum Verwechseln nahe. Johannes der Täufer hatte öffentlich die Sittenlosigkeit der Königin Herodias kritisiert.
Um ihn zu töten, hatte sich die Mutter der schönen Salome bedient. Um König Herodes zur Zustimmung zur Ermordung zu zwingen, vollführt Salome einen betörenden Tanz vor ihrem Stiefvater. Erst nach der Enthauptung des Johannes wird Salome die Grausamkeit ihres Handelns bewusst: Triumphal, aber schon nachdenklich zeigt sie die Trophäe dem Betrachter.
Palma il Giovane
Salome
1599
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Susanna
Während Susanna ein Bad in ihrem Garten nahm, versuchten zwei alte Männer, sie zum Beischlaf zu nötigen. Diese beiden waren Richter und konnten somit über Leben und Tod entscheiden.
Sie weigerte sich, sich ihnen hinzugeben, und wurde deshalb von den beiden wegen Ehebruchs angeklagt und zum Tode verurteilt. Der Prophet Daniel konnte im letzten Moment ihre Unschuld beweisen. Die beiden Alten wurden hingerichtet.
Tintoretto
Susanna im Bade
um 1555/56
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Tintoretto zeigt Susanna bei der Körperpflege im Garten. Ihr schöner, entkleideter Körper ist weniger den Blicken der Alten preisgegeben als vielmehr dem der Betrachtenden.
Magdalena
Die heilige Magdalena, mit gelöstem Haar und ekstatischem, gegen den Himmel gerichtetem Blick, ist eine der erfolgreichsten Heiligendarstellungen Tizians. Der Meister selbst liebte diese Bilderfindung sehr und malte mehrere Versionen davon.
Die Überlieferung will wissen, dass er im Sterben ein solches Bild in seinen Händen hielt. Es ist eine äußerst sinnliche Darstellung dieser Heiligen, die in der Zurückgezogenheit ihre Sünden bereut und um Vergebung bittet.
Tizian und Werkstatt
Maria Magdalena
um 1565
Stuttgart, Staatsgalerie Stuttgart
Creative Commons, Staatsgalerie Stuttgart
Wie ein roter Faden verbindet die Schönheit der Protagonistinnen ihre diversen Geschichten.
7
Lustobjekt und Göttin
Männer schreiben über Frauen
Im Venedig des 16. Jahrhunderts verbreitet sich der Buchdruck – eine Medienrevolution am Beginn der Neuzeit, vergleichbar der heutigen Digitalisierung. Inhalte werden schneller und breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht.
Treibende Kraft ist der in Venedig ansässige Verleger Aldus Manutius: Er druckt die Werke antiker Autoren und wendet sich damit an ein gebildetes Publikum mit großem Interesse an Kunst und Kultur der Antike. Ebenso druckt er zeitgenössische Werke in der italienischen Umgangssprache, dem „volgare“, so kann ein noch breiteres Publikum bedient werden.
Tizian zugeschrieben
Portrait eines Mannes (Pietro Bembo?)
1515/20
Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie
© Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie –
Photographie Nicolas Waltefaugle
Für Frauen – unterschiedlicher Herkunft – wurde es einfacher, am poetischen Diskurs teilzuhaben und sich als Dichterinnen zu etablieren.
Mit ihren Texten, die die frauenfeindlichen Ansichten und Verhaltensweisen der Zeit anprangern, trafen sie den Nerv der Zeit und kündeten von einer neuen sozialen Stellung der Frau. Humanisten und Poeten, Dichterinnen, schreibende Kurtisanen und Maler Venedigs verband ein dichtes Netzwerk. Tizian war einer von ihnen.
Pietro Bembo gilt als einer der wichtigen Gelehrten und Sprachkünstler der Renaissance. Bembo arbeitete eng mit Manutius zusammen und gab über den Verleger Dichtungen von Francesco Petrarca und Dante heraus.
Er etablierte die italienische Alltagssprache („volgare“) als Literatursprache. Bembos in der Ausstellung zu sehende „Asolani“ („Gli Asolani“) gehören zu den meistgelesenen Liebestraktaten der Renaissance.
Tizian
Benedetto Varchi (1503–1565)
um 1540
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Benedetto Varchi, Florentiner Humanist und Kunsttheoretiker, ließ sich während seines Aufenthalts in Venedig von Tizian porträtieren. Lässig an eine Säule gelehnt, hält er ein aufgeschlagenes Büchlein mit Liebespoesien Petrarcas; der sogenannte „petrarchino“ hatte ein handliches Format, war preiswert und wurde als erfolgreiche Erfindung von Aldo Manuzio ein Vorläufer der heutigen Taschenbücher. Francescos Petrarca widmet in seinem „Buch der Lieder“ („Canzoniere“) seiner großen Liebe Laura unzählige Gedichte und beschreibt darin jenes Ideal von Schönheit, das in den folgenden Jahrhunderten weiterlebt und manch einen Maler und Bildhauer angeregt hat.
Tizian
Pietro Aretino (1492–1556)
um 1527
Basel, Kunstmuseum Basel
© Kunstmuseum Basel, Schenkung der Prof. J.J. Bachofen-Burckhardt-Stiftung, Foto: Kunstmuseum Basel, Martin P. Bühler
Pietro Aretino und Tizian verband eine außergewöhnliche Freundschaft. Der Literat und Satiriker, der sich selber „Il divino“ („der Göttliche“) nannte und für seine spitze Zunge von den Mächtigen Europas gefürchtet wurde, bewarb ausführlich die Malerei Tizians, während Tizian ihn in mehreren Porträts festhielt. Das Baseler Porträt ist vielleicht das früheste Dokument ihrer freundschaftlichen Beziehung. Berühmt sind Aretinos „Ragionamenti“, die sog. „Vernünftigen Gespräche“ zweier Kurtisanen. In derber, lebensnaher Sprache verfasst, gelten sie als Vorläufer pornographischer Literatur.
8
Schriftstellerinnen, Dichterinnen
und schreibende Kurtisanen geben sich und
anderen Frauen eine Stimme
»...und außerdem wurde bekanntlich Adam, der erste Mensch, in den Feldern bei Damaskus erschaffen, die Frau hingegen hat Gott wegen ihrer größeren Vortrefflichkeit im irdischen Paradies erschaffen.«
Moderata Fonte (1555-1592)
Alessandro Bonvicino, gen. Moretto
Salome (Tullia d‘ Aragona, um 1510–1556)
um 1540
Brescia, Fondazione Brescia Musei
© Archivio fotografico Civici Musei di Brescia
Im Unterschied zu den männlichen Kollegen gibt es von den zahlreichen weiblichen Schriftstellerinnen, Dichterinnen und schreibenden Kurtisanen nur wenige gemalte Porträts. Hier sind wir vermehrt auf die Graphik angewiesen.
Etliche Frauen, die sich in Venedig der Dichtkunst widmen, stammen nun immer häufiger aus bürgerlichen Familien. Ihre Karrieren sind vielfältig. Einige leben wie Nonnen, sind lange unverheiratet, verwitwet oder sind sog. „ehrenhafte Kurtisanen“, die -anders als heute vermutet -in Repräsentation und Selbstdarstellung vornehmen Damen vergleichbar waren, eigene Salons unterhielten und mit Künstlern, Adeligen und Angehörigen des klerikalen Standes verkehrten. Ihre Werke werden dank männlicher Förderer veröffentlicht. Selbstbewusst und mit Humor fordern sie eine neue Sicht auf die Frau.
»Frauen werden ›donne‹ genannt, weil sie wie ein göttliches Geschenk (dono celeste) sind, ohne das es weder Schönes noch Gutes gäbe.«
Moderata Fonte (1555-1592)
9
Die prächtige Welt der Mythen
Für die Künstler und ihre Auftraggeber standen Historienbilder an der Spitze der Malereithemen.
Tizian
Venus und Adonis
1555/57
England, Privatbesitz
© Privatsammlung
Von einzelnen dieser Werke, besonders von Venus und Adonis, schuf Tizian soviele Variationen, dass diese bis heute in Museen auf der ganzen Welt zu sehen sind. Auch beeinflussten sie die Produktion von mythologischen Darstellungen bei seinen Zeitgenossen: Tintoretto, Bordone und besonders Veronese.
Daher erwarb auch Tizian seinen größten Ruhm für seine Gestaltung antiker Mythen.
Als einzigartiger Dramaturg der Farbe gibt er den Körpern strahlende Helle und bettet sie in atmosphärisches Hell-Dunkel, in dem besonders Weiß, Rot und Blau herausleuchten. Die vielseitigen Rollen der Frauen, von machtvollen Göttinnen oder Nymphen, die den Begierden Jupiters zum Opfer fielen, werden in abwechslungsreichen, packenden Erzählungen illustriert.
Die Lieben der Götter – Gemalte Poesie –
Im Wettstreit mit den Dichtern
Für König Philipp II. von Spanien malte Tizian die „Poesie“. Das sind gemalte Gedichte, inspiriert von der Antike. Tizian beschrieb in begleitenden Briefen die Beweggründe für die Themenwahl.
Daraus lässt sich schließen, dass er die Kompositionen selbst erfand und nach und nach aus rein künstlerischen Überlegungen ausführte. Tizian war nicht nur Auftragskünstler, sondern auch Humanist und Literat.
Die Themen stammen zum Großteil aus dem antiken Buch der Metamorphosen von Ovid und Texten anderer antiker Autoren. In jeder Darstellung wählt Tizian gekonnt den Moment, in dem das Drama dem Höhepunkt zusteuert: Venus versucht den Adonis vergeblich zurückzuhalten, denn er will mit seinen Hunden zur Jagd aufbrechen, bei der er selbst sterben wird. Jupiter dringt durch alle Mauern des Turms und vereinigt sich als Goldregen mit Danae.
Tizian
Danae
um 1545
Neapel, Museo di Capodimonte
© bpk | Scala - courtesy of the Ministero Beni e Att. Culturali
Veronese
Raub der Europa
um 1578
Venedig, Fondazione Musei Civici di Venezia
Foto Matteo De Fina 2019 © Archivio Fotografico -
Fondazione Musei Civici di Venezia
Paolo Veroneses monumentaler „Raub der Europa“ kommt aus dem Dogenpalast in Venedig. In Gestalt eines prächtigen weißen Stieres entführt Zeus die schöne Prinzessin und bringt sie auf den Kontinent, der nach ihr benannt wurde.
Im Reich der Venus
Die Göttin der Liebe steht für Jugend,
Schönheit und Fruchtbarkeit
Die Bestrafung Amors mag die Folge seines Ungehorsams sein, weil er sich entgegen der Anweisung seiner Mutter in Psyche verliebt hatte. Seine Mutter nimmt ihm die Instrumente seiner Macht ab: Amor weint über den Verlust von Pfeil und Bogen.
Tintoretto
Venus, Vulkan und Mars
um 1555
München, Alte Pinakothek
© bpk I Bayerische Staatsgemäldesammlungen
Tintorettos ironische Schilderung des göttlichen Ehebruchs der Venus mit Mars, der sich unter dem Bett versteckt, um dem Zorn des betrogenen Ehemanns Vulkan zu entgehen, macht klar, welch heimliche Freude diese Themen auch den venezianischen Künstlern bei der Gestaltung und Ausführung bereiteten.
Tizian
Venus bestraft Amor
um 1565
Rom, Galleria Borghese
© Ministero per i beni e le attività culturali – su concessione della Galleria Borghese
Römisch
Aphrodite Kallipygos
2. Jhdt. nach Chr.
Neapel, Museo Archeologico Nazionale di Napoli
© Su concessione del Ministero della Cultura - Museo Archeologico Nazionale di Napoli, Foto: Giorgio Albano
Tiziano Vecellio, gen. Tizian
Nymphe und Schäfer
1570/75
Kunsthistorisches Museum Wien
© KHM-Museumsverband
Lambert Sustris
Venus, Amor und Mars
1548/52
Paris, Musée du Louvre, Département des Peintures
© RMN-Grand Palais (Musée du Louvre) / Stéphane Maréchalle
Veronese
Mars und Venus vereint durch die Liebe
1570/89
New York, The Metropolitan Museum of Art
Open Access program, The Metropolitan Museum of Art
10
Allegorien
Von Tizian hat sich nur die Allegorie für die Decke der Biblioteca Marciana in Venedig erhalten. Tizian selbst war in der Jury, welche die Künstler auswählte, die diese Allegorien ausführen sollten.
Seine Darstellung der sowohl mit einem Buch als auch einer Schriftrolle versehenen Frau wird bis heute unterschiedlich als Allegorie der Weisheit oder der Geschichte gedeutet.
Tizian
Allegorie der Weisheit/Geschichte
um 1560
Venedig, Biblioteca Marciana
© Biblioteca Nazionale Marciana
Der Zahn der Zeit
Giorgione
La Vecchia (die Alte)
um 1506
Venedig, Gallerie dell’Accademia
© G.A.VE Archivio fotografico –“su concessione del Ministero
della Cultura - Gallerie dell’Accademia di Venezia”
Dieses Gemälde erzählt von der Zeit und vom Prozess des Alterns; darauf verweisen der Zettel mit der Aufschrift „COL TEMPO“ (im Laufe der Zeit) in der Hand der alten Frau, ihr greises Gesicht, das stumpfe Haar, der offene Mund mit den Zahnlücken und vor allem der müde, mehr wehe als anklagend auf den Betrachter gerichtete Blick. Sie wird damit zu einer Allegorie der Vergänglichkeit.
Tizian
Clarissa Strozzi (1540-1581)
1542
Staatliche Museen zu Berlin
© bpk I Staatliche Museen zu Berlin,
Gemäldegalerie / Christoph Schmidt
Liebevoll reicht sie dem Hund ihre Ciambella, einen Frühstückskringel, und blickt dabei wie plötzlich gerufen in die Ferne. Trotz ihrer kindlichen Selbstverständlichkeit ist das Gemälde bereits voller Hinweise, die auf ihre zukünftige Karriere als Braut und Ehefrau hinweisen und so den Gang ihres Lebens bereits anzeigen: Das Kleid gleicht bereits einem Hochzeitskleid, die kämpfenden Eroten im Relief spielen bereits auf die Gefahren zukünftiger Liebe an. Doch momentan genießt sie diesen Lebensabschnitt ihrer zauberhaften Kindlichkeit und der liebevollen Freude an ihrem Schoßhund. Somit wird dies kleine Mädchen in liebenswürdigster Weise zum Ausdruck des reinen menschlichen Wesens.
Tizian
Triumph der Liebe
1543–1546
Oxford, Ashmolean Museum of Art and Archaeology
© Ashmolean Museum, University of Oxford
Tipp
Genießen Sie die eigens für die Ausstellung kreierte Tizian-Torte
aus Pistazienbiskuit und Schokoladen-Nougat-Creme vom Traditionsunternehmen Gerstner K.u.K Hofzuckerbäcker in prachtvollem Ambiente bei uns im Museumscafé in der Kuppelhalle oder direkt beim Gerstner K.u.K. Hofzuckerbäcker.
Tizian-Wein vom Bioweingut Lenikus
Dieser Weisswein-Cuvée ist Teil einer Sonderedition, von der es nur 1500 Stück gibt. Gemeinsam mit dem KHM Wein Klassik des Bioweingut Lenikus erhalten Sie den Tizian-Wein bei uns im Tizian-Shop im 2er-Set sowie im Online-Shop des Bioweingut Lenikus.